münchner immobilien fokus diskutiert Konsequenzen und Lösungen der Neubau-Krise
“Neubau, quo vadis?! Wie wirkt sich der Einbruch des Neubaus auf die Kauf- und Mietpreise aus?” So lautete das Thema des münchner immobilien fokus, der am 19. Oktober im Literaturhaus stattfand. Zu der Veranstaltung geladen hatten die Aigner Immobilien GmbH sowie die Acconsis GmbH Steuerberatung. Deutlich wurde: Es gibt keine einfachen Lösungen für die Neubau-Krise.
Durch Inflation, Zinserhöhungen und gestiegene Baukosten ist die Baubranche in große Not geraten. Projekte werden auf Eis gelegt oder verschoben, auf vielen Baustellen herrscht Stillstand, der Abverkauf ist ins Stocken geraten. Das trifft auch auf die bayerische Landeshauptstadt zu: Im ersten Halbjahr 2023 sind die Transaktionszahlen bei Neubauwohnungen im Vergleich zum Vorjah¬reszeitraum um rund 76 % eingebrochen. Welche Folgen haben solche Entwicklungen auf den Immobilienmarkt und die Preise? Und wie könnte man den Neubau in München wieder ankurbeln?
Diese Fragen beschäftigten die Teilnehmer des münchner immobilien fokus. Moderator Sebastian Krass, der durch den Abend führte, begrüßte auf dem Podium hochkarätige Gesprächspartner aus Politik und Immobilienwirtschaft: Kristina Frank (CSU), Leiterin des Kommunalreferats der Landeshauptstadt München, Prof. Dr. Jörg Hoffmann (FDP), Stadtratsmitglied mit Schwerpunkt Stadtplanung und Wohnungsbau, Prof. Dr. Matthias Ottmann, Geschäftsführer der Urban Progress GmbH, Helmut Thiele, Sachverständiger und ehemaliger Vorsitzender des Gutachterausschusses München sowie die Gastgeber Thomas Aigner, Geschäftsführer der Aigner Immobilien GmbH, und Regine Funke-Lachotzki, Geschäftsführerin der Acconsis GmbH.
Zu Beginn führte Helmut Thiele mit einem Impulsvortrag in das Thema ein, bei dem er u.a. auf die offizielle Bevölkerungsprognose des Referats für Stadtplanung und Bauordnung blickte. Bei den für 2040 angenommenen 1,812 Mio. Einwohnern bedeute dies ab jetzt einen Zuwachs von 34 Personen pro Tag: „Also jeden Tag ein Bus voller Menschen, die neu hier nach München kommen.“ Aus der von ihm vorgestellten Modellrechnung ging hervor, dass pro Jahr im Schnitt etwa 5.000 Wohnungen entstehen müssten, um dem daraus resultierenden Bedarf gerecht zu werden – zusätzlich zu der hohen Nachfrage, die auch ohne den Zuzug vorhanden sei. Sein anschließender Blick auf die bisherige Bilanz des Wohnungsbaus in München machte deutlich, dass die Stadt diesem Bedarf nicht gerecht werden wird.
Denn es gäbe Faktoren, die den Neubau „vermiesen“, wie es Thiele ausdrückte: die explosionsartige Entwicklung der Baupreise für Wohngebäude, gesetzliche Auflagen, die gerade in München hohen Grundstückspreise sowie die Restriktionen der Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN). Hinzu komme noch ein Regionalisierungsfaktor bei den Baupreisen, der dazu führe, dass München beim Bauen 61 % teurer sei als der Bundesdurchschnitt. „Wenn man rechnet, lohnt sich das Bauen für die Privatwirtschaft nicht mehr“, resümiert Thiele.
Mit seiner abschließenden Aufzählung, was den Neubau ankurbeln könnte und was dagegen stehe, deutete sich bereits das Fazit der darauffolgenden Podiumsdiskussion an: Es gibt keine einfachen Lösungen.
Hingehen, wo es schmerzt
Im Gegenteil: „Es sind viele verschiedene Faktoren, die den Mangel fördern und die Mieten steigen lassen. Die Lage ist dramatisch!“, warnte Thomas Aigner. Seit 30 Jahren gebe es in München zu wenig günstigen Wohnraum. Durch die derzeitigen Entwicklungen verlagerten sich die Anfragen vom Kauf zur Miete – mit der Folge, dass bonitätsstarke Mietinteressenten die anderen verdrängten und die Mietpreise noch weiter steigen würden.
Einen sehr großen Hebel sieht der Immobilienexperte in einer Änderung der Zuständigkeiten: weg von der kommunalen Planungshoheit hin zu einer Bauleitplanung für ganze Metropolregionen. „Wir brauchen auf Dauer deutlich mehr Wohnraum. Dafür müssen wir im ganz großen Stil bauen – und zwar nicht nur innerhalb der Stadtgrenzen, sondern darüber hinaus.“ Doch das seien „dicke Bretter, die keiner bohren will. Wir müssen aber da hingehen, wo es schmerzt. München wächst. Das muss man begleiten und darf nicht einfach nur zuschauen.“
Dass die Umlandgemeinden bei dieser Art von Zusammenarbeit blockieren, bestätigte der baupolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Stadtrat, Jörg Hoffmann. „Wenn es darum geht, Geschosswohnbau für die Münchner auf die grüne Wiese zu setzen, sagen die Bürgermeister: ‚Dann werden wir nicht mehr gewählt.‘“ Neben dieser Tatsache zeigte sich Hoffmann über die Wohnungspolitik der Stadt verärgert – besonders über die Ankäufe. Insgesamt rund 800 Mio. Euro investierte die Stadt in den vergangenen fünf Jahren in den Erwerb von Bestandswohnungen. „Das macht sich gut in der Presse, Geld für Bestandsmieter auszugeben. Da kann man schöne Fotos machen. Im Neubau gibt es das noch nicht“, kritisierte er.
Kommunalreferentin Kristina Frank verteidigte die Käufe, betonte aber, dass man eine Balance halten müsse zwischen Bestand und Neubau. Die lebenswerten Aspekte einer Stadt zu erhalten sei ebenso wichtig. Laut Frank ist damit zu rechnen, dass der Stadtrat weiteren Immobilienankäufen zustimmen wird.
Gerade bei diesem Thema wurde deutlich, dass sich etwas verändert hat in München: Während es früher kaum Angebote gegeben habe, nehme man jetzt einen Angebotsüberhang wahr. Derzeit liegen der Stadt etwa 80 Kaufangebote mit rund 2.500 Wohnungen vor, allerdings kommt das Referat mit deren Prüfung nicht hinterher. „Es gibt nur zwei Personen, die das abarbeiten, denn bislang gab es den Bedarf an Arbeit gar nicht.“
Heftig diskutiert wurde zudem über die Einschränkungen der SoBoN. Matthias Ottmann verwies darauf, dass es bei der SoBoN 2017 eine gute Absprache zwischen der Stadt und den Bauträgern gegeben habe. „Beide Seiten waren glücklich.“ Doch dann habe sich die Stimmung verändert. Es gäbe jetzt eine Stigmatisierung der privaten Bauträger. Helmut Thiele bestätigte, dass die SoBoN bis zur Verschärfung 2021 eigentlich immer gut zwischen den Beteiligten funktioniert habe, und kritisierte die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Neuregelungen für Bauträger.
Auf mangelnde Wirtschaftlichkeit für Anleger indes verwies Regine Funke-Lachotzki: „Die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Neubauwohnungen erschrecken die Investoren.“ Eine Neubauwohnung als Kapitalanlage zu erwerben, lohne sich daher nicht mehr. Die derzeitige Politik verhindere das durch Mietendeckelungen, zahlreiche Regularien sowie zu geringe Abschreibungsmöglichkeiten.
Einen kleinen Lichtblick konnte man aus einem Nebensatz heraushören: Laut Matthias Ottmann gehen immerhin die Baukosten langsam zurück. Das wäre ein Hemmnis weniger, das die Baubranche zu stemmen hat.
Nach der Podiumsdiskussion sorgte das Thema zwischen Zuhörern und Teilnehmern noch lange für Gesprächsstoff.
Weitere Informationen:
Dr. Berit Dirscherl
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